Zensur

Zensur von der schlimmsten Sort

ist die Angst vorm eignen Wort.

(Heinrich Heine)

Zensur ist in der Schülerpresse ein alltägliches Phänomen – hier wird ein Artikel gestrichen, dort darf ein Foto nicht abgedruckt werden. Zusammen mit der Jungen Presse Bayern kämpfe ich dafür, dass Schülerzeitungen endlich Pressefreiheit haben. Schließlich heißt es in Art. 5 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. (…) Eine Zensur findet nicht statt.“

Ein Teilerfolg für Bayerns Schülerzeitungen ist bereits die Änderung des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes (Art. 63) 2006. Schüler können damit die Verantwortung für ihre Zeitung selbst übernehmen und sind nicht mehr von der Vorzensur durch die Schulleitung abhängig. Grund für die neue Freiheit der Redakteure sind zwei spektakuläre Zensurfälle aus dem Jahr 2002. In Neusäß bei Augsburg zensierte damals eine Schulleiterin 14 Seiten der Schülerzeitung Spektrum, mit überwiegend haarsträubenden Begründungen. In München verbot man einer Redaktion Fotos zu drucken, auf denen eine Lehrerin während einer Klassenfahrt mit einem Playboy-Magazin in Händen zu sehen war. Die Junge Presse Bayern brachte die Vorfälle damals an die Öffentlichkeit und reichte eine Petition beim Bayerischen Landtag ein.

Auch das massive Presseecho auf die beiden Zensurfälle hat die bayerische Staatsregierung zum Umdenken bewegt. Das bis dato häufig angeführte Argument, Schulleiter sollten mit Zensur nur ihre Schüler vor Dummheiten bewahren, war nicht mehr zu halten (vgl. Wikipedia: „Neusässer Schüler erwirkt Pressefreiheit für Bayerns Schülerzeitungen“ und Stern: Schülerzeitung: Bayrische Extrawurst).

Bayern ist das letzte Bundesland, das Schülerzeitungsredakteure nun als Journalisten anerkennt. In Zukunft können Schülerzeitungen selbst die Verantwortung für ihre Zeitung übernehmen. Sie haben nun die Wahl, ob ihre Schülerzeitung als Einrichtung der Schule im Rahmen der Schülermitverantwortung oder als Druckwerk im Sinn des Bayerischen Pressegesetzes (BayPrG) erscheint. Entscheidet sich die Redaktion, ihre Schülerzeitung als Druckwerk im Sinn des Bayerischen Pressegesetzes herauszugeben, kann die Schule den Verkauf vor dem Schulgelände nicht mehr untersagen.

Trotzdem gibt es nach wie vor Zensur – und vielen Schülern wird Unrecht getan. Bei solchenFällen will die Junge Presse Bayern helfen: Auch für Schüler muss das Grundgesetz gelten.

Fakten zur Zensur in der bayerischen Schülerpresse:

• 44,5 Prozent der Schülerzeitungen erscheinen mit dem Schulleiter als Herausgeber,  41,3 Prozent in eigener Verantwortung der Schüler.
• Diese Erscheinungsweise wird oftmals nicht wie im Gesetz vorgeschrieben von den Schülern selbst festgelegt: Nur 43,5 Prozent der Jugendredakteure gaben an, die Erscheinungsweise selbst entschieden zu haben. (u.a. 11,6 Prozent: Schulleitung!)

Die beratende Lehrkraft
• Nur bei 23,4 Prozent wird die beratende Lehrkraft von der Redaktion gewählt, 28,7 Prozent sagen, dass die Schulleitung die beratende Lehrkraft eingesetzt habe. 29,7 Prozent geben an, dass sich die beratende Lehrkraft selbst ernannt hat. Das sind klare Rechtsverstöße, da die Schüler laut Gesetz selbst entscheiden sollen.
• 22,1 Prozent der Schülerzeitungsredakteure gaben an, dass die beratende Lehrkraft schon einmal Artikel gestrichen / zensiert, bevor die Schülerzeitung gedruckt wurde.
• 15,9 Prozent sagen, dass  die beratende Lehrkraft nicht wollte, dass über bestimmte Themen überhaupt berichtet wird und schon einmal eingegriffen hat, bevor überhaupt mit dem Schreiben begonnen wurde.

Die Schulleitung
• 37,1 Prozent der Schülerzeitungsredakteure sagen, dass die Schulleitung in den letzten Jahren schon einmal Artikel gestrichen / zensiert hat, bevor die Schülerzeitung gedruckt wurde.
• 12,7 Prozent sagen, dass  die Schulleitung nicht wollte, dass über bestimmte Themen überhaupt berichtet wird und schon einmal eingegriffen hat, bevor überhaupt mit dem Schreiben begonnen wurde.
• 4,6 Prozent der Befragten geben an, dass die Schulleitung in den letzten Jahren nach dem Druck der Zeitung deren Verkauf verboten hat.
• Viele äußern sich zu diesen Vorfällen. So schreibt eine Befragte: „An meiner Schule, einem katholischen Mädchengymnasium, wurde ein Artikel über die Ausstellung ‚Körperwelten‘ gestrichen“. An einer anderen Schule wollte der Schulleiter einen allgemeinen Bericht über das Thema Amoklauf nicht in der Zeitung sehen. Die betroffene Redaktion war sehr enttäuscht darüber, schließlich hätte man sich viel Mühe mit dem Text gemacht – die Zensur sei unfair, so ein Befragter. Ebenso grundsätzlich verboten ist es einer Redaktion, über das Schulforum zu berichten.

Selbstzensur
• 28,0 Prozent äußern, sie müssten vorsichtig sein, was sie schreiben – sonst hätten sie Nachteile im Schulalltag (schlechte Noten) zu befürchten.
• 37,6 Prozent gaben an, dass sie nicht völlig unabhängig in ihrer Arbeit sind und veröffentlichen können, was sie wollen.

Die Studie „Das Phänomen „Zensur“ in der bayerischen Schülerpresse. Eine empirische  Erhebung an Gymnasien und Realschulen“ entstand als Abschlussarbeit im Bachelorstudiengang Sozialwissenschaften am Lehrstuhl für Soziologie und Empirische Sozialforschung an der philosophisch-sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg. Befragt wurden dazu 220 Schülerzeitungsredakteure an bayerischen Realschulen und Gymnasien.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und die Forderungen der Jungen Presse Bayern gibt es hier.

Bild: “Simon Schricker” / http://www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc)
http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de

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